Lernen und Gehirn

Das menschliche Gehirn ist leistungsfähiger als alle Computer dieser Welt zusammen. Es ist zwar noch lange nicht vollständig erforscht, doch die moderne Wissenschaft ermöglicht uns erstaunliche Einblicke in die Funktionsweise unseres Verstandes. Mittlerweile können wir nachvollziehen, wie wir gewisse Dinge lernen und wie Informationen verarbeitet werden. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse können dabei helfen, das Lernverhalten zu verbessern.

Das menschliche Gehirn unter der Lupe

Wer die Funktionsweise des Gehirns verstehen möchte, muss dessen Bestandteile genauer unter die Lupe nehmen. Die Grundbausteine stellen die sogenannten Nervenzellen oder auch Neuronen dar. Diese setzen sich wiederum aus eigenen Komponenten zusammen. Eine davon ist das Axon. Dieses ist für die Weiterleitung von Informationen zuständig und kommt pro Neuron nur ein einziges Mal vor. In mehrfacher Ausführung besitzt eine Nervenzelle dagegen Synapsen und Dendriten. Erstere sorgen für die Informationsübertragung, während letztere die Informationsaufnahme ermöglichen. Der Hauptbestandteil ist der Zellkörper, der im Inneren einen Zellkern besitzt. Er ist hinsichtlich seiner weiteren Bauteile den anderen Organzellen relativ ähnlich und sorgt für die Informationsverarbeitung.

Die einzelnen Neuronen sind über die für die Weiterleitung und Übertragung zuständigen Bestandteile miteinander verbunden. So setzt sich das Gehirn aus etwa 100 Milliarden Nervenzellen zusammen und bildet ein riesiges Netzwerk für Informationsverarbeitung. Ein Mensch, der gerade erst geboren wurde, besitzt bereits 50 Billionen Neuronen-Verbindungen. Innerhalb dieser Koppelungen wird alles Neugelernte von Nervenzelle zu Nervenzelle weitergegeben. Die Dendriten nehmen neu gewonnenes Wissen auf, der Zellkörper verarbeitet es und das Axon gibt es wieder weiter. Die Übertragungsstoffe, die dabei über die Synapsen transportiert werden, nennt man Neurotransmitter. Diese rufen beim Kontakt mit einer Nervenzelle eine elektrische Reaktion hervor. Ist die Erregung stark genug, wird die Information zur Verarbeitung weitergeleitet.

Der Weg des Lernens

Teilt man das Gehirn in bestimmte Regionen auf, stellt man fest, dass einige anders reagieren und arbeiten als andere. Für das Lernen im Besonderen sind drei Areale besonders wichtig: Der Hippocampus, die Amygdala und ein Bereich des Mittelhirns, in dem Dopamin gebildet werden kann.

Bisher konnte noch nicht vollständig geklärt werden, wie das Gehirn Gelerntes speichert oder wieder löscht. Auch die Frage nach dem Warum ist noch offen. Allerdings ist klar, dass es nicht jede Information in unser Gehirn schafft. Das liegt vorrangig am sogenannten Hippocampus. Dieser funktioniert ähnlich wie ein Türsteher vor einem Nachtclub. Er bestimmt, ob eine Nachricht den Weg zur Hirnrinde findet oder wieder verworfen wird.

Dabei geht der Hippocampus auf eine bestimmte Art und Weise vor. Wird er mehrmals mit der gleichen Information konfrontiert, wird er diese nach kurzer Zeit nicht mehr beachten. Erst wenn diese in veränderter Form wieder auftaucht, wird er ihr Zugang gewähren. In welcher Art das Wissen dabei verändert wird, ist egal.

Am Beispiel eines Satzes, der gelernt werden soll, könnte man beispielsweise die Reihenfolge der Wörter ändern, um ihn im Gehirn fest zu verankern. Auch das Variieren der Stimmlage, mit der der Satz gesprochen wird, kann helfen, ihn zu verinnerlichen.

Forscher vermuten, dass nach der Tauglichkeitsprüfung im Hippocampus Informationen vorwiegend während des Schlafens entweder über die Hirnrinde in das Langzeitgedächtnis übergehen oder verworfen werden.

Auch Emotionen spielen beim Lernen eine tragende Rolle. Sie werden ebenfalls im Gehirn hervorgerufen. Dabei gibt es positive und negative Eindrücke oder anders gesagt Freude und Angst. Schöne Erinnerungen vergessen wir meist nicht so schnell. Das liegt vor allem daran, dass ein glücklicher Mensch schneller und besser lernt. In einem Teil des Mittelhirns werden bei schönen Erlebnissen sogenannte Botenstoffe produziert. Der bekannteste und für das Lernen wichtigste Vertreter ist das Dopamin. Dopamin ist essenziell für die Verarbeitung von Informationen. Je mehr Dopamin vorhanden ist, desto schneller und besser kann Wissen verarbeitet und gespeichert werden.

Angst kann hingegen geradezu lernhemmend sein. Alle Informationen, die ein Mensch über seine Sinne wahrnimmt, werden zur Amygdala, die sich in der Mitte des Gehirns befindet, geleitet. Dort steht eine genaue Überprüfung von Gefahrenquellen an. Wird eine Bedrohung erkannt, reagiert der Körper sofort mit seinen Defensivmechanismen. Negative Erinnerungen werden direkt in der Amygdala gespeichert, was dazu führt, dass der Mensch in Situationen, die er mit negativen Gefühlen verbindet, ähnlich reagiert, wie er es schon in der Vergangenheit getan hat.

Dies zeigt auf, dass effizientes Lernen in Verbindung mit negativen Gefühlen nicht möglich ist, in positiver Atmosphäre dagegen umso mehr.

Das Lernverhalten verbessern

Auf Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Gehirn ist es möglich, das Lernverhalten gezielt zu verbessern. Das gilt sowohl für Kinder als auch für Studenten und Erwachsene.

Zum Lernen können beispielsweise Karteikarten verwendet werden, mithilfe derer das Lernmaterial kurz und knackig zusammengefasst und immer wieder vorgelegt werden kann. Denn das Gehirn bevorzugt konkrete Informationen. Allerdings haben wir bereits festgestellt, dass unveränderte Informationen nur schwer aufgenommen werden. Daher sollten Abwandlungen eingebaut werden. Zum Beispiel könnte man das, was auf den Karteikarten steht, immer wieder in verschiedenen Stimmlagen laut vorlesen. Eine Alternative ist das Lernen mit einem Partner, um Abwechslung hineinzubringen.

Das Lernen in Gruppen kann auch noch auf andere Weise nützlich sein. Indem man anderen Personen Dinge beibringt, intensiviert man selbst das bereits gemerkte Wissen. Weiterer positiver Effekt: Die Emotionen, die über das Sprechen und die Mimik des Gegenübers vermittelt werden, verstärken das Signal für das Gehirn, dass das Gesagte wichtig und daher einzuspeichern ist.

Für Eltern, die ihr Kind beim Lernen unterstützen möchten, ist es eine gute Idee, den Lernstoff mit interessanten Ausflügen, passenden Filmen und Büchern oder spannenden Geschichten zu verknüpfen. Das bildhafte Darstellen des Wissens und die positiven Emotionen helfen den Schülern, sich die Informationen leichter anzueignen und sie im Langzeitgedächtnis abzuspeichern.

Auch das Abschreiben von Lernmaterial bewirkt, dass sich das Gehirn intensiver mit den Informationen beschäftigt. Hier ist jedoch ausschlaggebend, dass das Abschreiben handschriftlich erfolgt – Abtippen oder gar das Kopieren von Informationen am PC sind deutlich weniger hilfreich.

Damit das Gehirn die Informationen effektiv verarbeiten kann, sollte man in regelmäßigen Zeitabständen Pausen einlegen, etwa nach 1-2 Stunden des Lernens. Hierbei sind schon wenige Minuten Auszeit ausreichend. Für die wichtigste Erholungsphase des Gehirns sorgt allerdings der Schlaf. Wichtig ist, dass der Schlaf ausreichend lang ist, da das Gehirn während der Tiefschlaf-Phasen die zuvor erlernten Informationen abruft und diese während der anfolgenden REM-Phasen langfristig abspeichert. Ebenso wichtig ist es, das Erlernte vor dem Schlafengehen im Gehirn nicht durch andere, besonders emotionale Eindrücke wie beispielsweise das Spielen eines aufregenden Computerspiels übertönen, damit im Gehirn nicht diese Erfahrung an die Stelle des zu merkenden Lernmaterials tritt.

Bild: Bigstockphoto.com / Voy

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